(Ur)Opa
Mein lieber Sohn,
als wir Anfang 2023 von deinem Uropa, also meinem Opa, Abschied nehmen mussten, waren wir alle tief betroffen. Denn trotz seines hohen Alters kam es doch irgendwie unerwartet.
Dein Urgroßvater war nämlich selbst im 89. Lebensjahr voller Pläne und hatte oft scherzhaft behauptet, er werde mindestens 105 Jahre alt, getrieben von einer unerschöpflichen Lebenslust. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, aber sein Streben und seine Träume bleiben uns als Inspiration erhalten.
Ich habe viel über ihn zu sagen, und da sich vor kurzem sein erster Todestag jährte, halte ich es für angebracht, hier die Trauerrede wiederzugeben, die ich damals zu seinen Ehren gehalten habe:
Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.
Mein Großvater würde Letzterem zustimmen und die Art und Weise wie er sein Leben gelebt hat, ist ein leuchtendes Beispiel dafür. Eine seiner großen Stärken war die Zuversicht. Eine Zuversicht für das Leben, die für Menschen in seiner Nähe ansteckend war. Und im Gegensatz zur Hoffnung, ist die Zuversicht unerschütterlich.
Als unser Sohn, Samuel, vor etwas mehr als 2 Jahren auf die Welt gekommen ist, haben wir ihm einen Zweitnamen gegeben. Den Namen seines Urgroßvaters, Michael.
… und wenn er mich in ein paar Jahren fragen wird: Papa, warum heiße ich auch Michael?
Dann werde ich ihm erklären, dass der Name nicht nur eine Erinnerung an seinen Urgroßvater ist, sondern auch eine Anleitung. Eine Anleitung, wie man ein Leben voller Zuversicht führt.
Ich werde ihm erklären, dass das Leben voller Herausforderungen sein kann. Aber dass man sich trotzdem nicht von Negativität beherrschen lassen sollte. Ich werde ihm erklären, dass es möglich ist, jeden Tag mit Freude zu füllen und dass wir, egal welche Herausforderungen uns begegnen, immer etwas tun können, das Beste daraus zu machen. Ich werde ihm erklären, dass das Alter kein Grund ist, zynisch zu werden. Stattdessen werde ich ihn dazu ermutigen, das Leben immer mit den Augen eines Kindes zu betrachten, als wäre alles ein Wunder.
Wenn mein Sohn nach dieser Anleitung lebt, dann bin ich mir sicher, wird er ein gutes Leben führen. Mit der gleichen unerschütterlichen Zuversicht wie sein Namensgeber. Und so wird die Erinnerung an meinen Großvater weiterleben.
Ich hoffe, dass diese Zeilen dir verständlich machen, warum du seinen Namen als Zweitnamen trägst. Es geht aber nicht nur darum, seinen Namen zu tragen, sondern auch darum, sein Erbe an Zuversicht, Lebensfreude und die Fähigkeit, in allem das Wunderbare zu sehen, in dir weiterzutragen.
Mögest du immer den Mut haben, das Leben mit offenen Armen zu empfangen, was immer es für dich bereithält. Und wenn du jemals zweifelst oder dich fragst, warum du den Weg wählst, den du gehst, erinnere dich an deinen Uropa. Lass ihn und seine Geschichten dir Kraft und Orientierung geben.
In Liebe, Papa.