Das Jahr 2025
Mein lieber Sohn,
2024 war ein Jahr der Hoffnungen und der Enttäuschungen. Ein Jahr, das gezeigt hat, wie tief die Gräben zwischen und in den Gesellschaften geworden sind. In vielen Ländern wurde gewählt, und meist ging es dabei um fundamentale Auseinandersetzungen - nicht nur zwischen Parteien, sondern zwischen unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie unsere Zukunft aussehen soll.
Heute scheint vieles wieder auf Null zu stehen. Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus hat den Optimismus, den wir im Laufe des Jahres entwickeln konnten, zunichte gemacht. Es ist ein Rückschlag für alle, die an Vernunft, Dialog und Zusammenarbeit geglaubt haben. Aber vielleicht - so seltsam es klingen mag - ist genau dies der Moment, in dem Europa endlich einen Wendepunkt erreicht.
Lange haben wir uns auf die USA verlassen, als Schutzmacht, als wirtschaftliches Vorbild, als politisches Gegengewicht zu den Autokratien dieser Welt. Doch mit Trump an der Spitze wird immer deutlicher: Diese Welt existiert nicht mehr. Wenn wir ein gutes Leben führen wollen – ein Leben in Sicherheit, Wohlstand und Freiheit –, dann müssen wir endlich selbst Verantwortung übernehmen.
Das bedeutet, dass Europa erwachsen werden muss. Dass wir nicht mehr nur reagieren, sondern unsere Zukunft aktiv gestalten. Dass wir nicht mehr nur verwalten, sondern eine Vision entwickeln, die über den nächsten Wahlzyklus hinausreicht. Ein gutes Leben entsteht nicht aus Angst, Abschottung und einfachen Lösungen. Es entsteht durch kluge Entscheidungen, durch Investitionen in die Zukunft und durch den Mut, neue Wege zu gehen.
Ich wünsche mir, dass du in einer Welt aufwächst, in der der Politik nicht nur eine Frage von Macht, sondern eine Frage des Gemeinwohls ist. Aber vielleicht war das letzte Jahr genau das Signal, das es gebraucht hat, um uns endlich wachzurütteln.
In Liebe, Papa.