Angst

Mein lieber Sohn,

Angst ist ein Gefühl, das uns alle irgendwann im Leben überkommt, und in dieser Woche bin ich einer Angst begegnet, die ich noch nie so intensiv erlebt habe: der Angst um dich.

Als wir erfuhren, dass du operiert werden musst, begann für mich eine Zeit der Anspannung und Unruhe. In den Tagen vor deiner Operation konnte ich an nichts anderes mehr denken. Jeder Gedanke kreiste um das, was kommen würde. Ich hatte zwar Vertrauen in die Ärzte und in das Gesundheitssystem aber die Sorge um dich überwog. Am Tag der Operation war die Anspannung unerträglich, der Gedanke, in diesen Momenten der Hilflosigkeit nicht bei dir sein zu können, verstärkte meine eigene Hilflosigkeit. Während der Operation war jede Minute eine Qual, jeder Augenblick eine Ausdehnung ins Unendliche.

Nach einer gefühlten Ewigkeit durfte ich endlich zu dir in den Aufwachraum. Die Erleichterung, als ich dich dort liegen sah, war unbeschreiblich. Dein kleiner Körper, noch schläfrig von der Narkose, aber sicher, nahm mir eine riesige Last von den Schultern. Ich legte meine Hand auf deinen Fuß und wartete mit deinen Kuscheltieren, Tiger und Adler, darauf, dass du die Augen öffnest. Als du wieder zu Bewusstsein kamst und mich etwas verwirrt ansahst, fühlte ich eine Welle der Erleichterung und Dankbarkeit.

Dieses Erlebnis hat mir noch einmal eindrücklich vor Augen geführt, dass die Angst zum Vatersein unweigerlich dazugehört. Sie ist Ausdruck der tiefen Liebe und Verantwortung, die ich für dich empfinde. Die Angst ist zwar immer präsent, aber nicht immer in dieser Intensität. Sie zeigt mir, wie zerbrechlich und vergänglich das Leben eigentlich ist. Gleichzeitig möchte ich betonen, wie wichtig es ist zu verstehen, dass Angst nichts ist, wofür man sich schämen muss. Sie ist ein Zeichen unserer gegenseitigen Liebe und ein Beweis dafür, dass wir jeden Tag dafür kämpfen. Es ist wichtig, die Angst zu akzeptieren und trotz ihrer Gegenwart mutig weiterzugehen.

Ich hoffe, dass du eines Tages verstehen wirst, warum ich immer ein wenig Angst um dich habe. Es ist die Angst eines Vaters, der seinen Sohn über alles liebt und immer nur das Beste für ihn will.

In Liebe, Papa.

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